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Stellungnahme zum Positionspapier „Neujustierung der Kompetenzen und der Zusammenarbeit der rettungsdienstlichen Berufe“ der Bertelsmann Stiftung vom 09.10.2024.

Das Positionspapier zur „Neujustierung der Kompetenzen und der Zusammenarbeit der rettungsdienstlichen Berufe“ der Bertelsmann Stiftung ist das Ergebnis eines guten Austauschs auf Augenhöhe verschiedener Fachleute. Naturgemäß gewichten diese einzelne Punkte unterschiedlich. Als DBRD möchten wir unsere Punkte besonders in den Fokus rücken.

Verlängerung der Rettungssanitäterausbildung

Die Veränderung und Anpassung der Rettungssanitäterausbildung ist aus Sicht des DBRD zu diskutieren. Durch die Veränderungen der rettungsdienstlichen Landschaft durch das Notfallsanitätergesetz (NotSanG) treten bei der Besetzung der Rettungsmittel neue Herausforderungen und Aspekte in den Vordergrund. Rettungssanitäter sind dabei einerseits ein wichtiger Bestandteil des Rettungsteams und übernehmen als Teampartner auch wichtige Aufgaben, die über die ihrer bisherigen Ausbildung hinausgehen. Andererseits sind Rettungssanitäter bereits seit Jahren erfolgreich im qualifizierten Krankentransport eingesetzt. Die bisherige Ausbildung hat sich für diese Tätigkeiten bisher bewährt und wurde oftmals an die veränderten Herausforderungen mit zunehmender Schnittstelle zur Notfallrettung angepasst. 

Auch wenn es vordergründig sinnvoll erscheinen mag, eine längere Ausbildung zu fordern, so würde eine pauschale Ausbildungsverlängerung die Ausbildung erschweren und den ohnehin bereits bestehenden Personalengpass verstärken.

Aus Sicht des DBRD kommt hier eine Anpassung der Ausbildung durch eine modulare Erweiterung an die Einsatzerfordernisse als Lösung in Betracht. Mit derartigen standardisierten, verlängernden Ausbildungsmodulen muss jedoch auch ein eigener erweiterter Aufgaben- und Tätigkeitsbereich verbunden sein. Es wäre aus Sicht des DBRD unschlüssig, die Ausbildung unter Beibehaltung desselben Tätigkeitsprofils einfach nur zu verlängern. Der DBRD spricht sich dafür aus, bei einer modularen Verlängerung der Rettungssanitäterausbildung auch das Tätigkeitsfeld zu erweitern. Rettungssanitäter müssen nach bundesweit angeglichenen Vorgaben vereinheitlicht darin ausgebildet werden, akut lebensbedrohliche Zustände zu erkennen und mit einfachen Interventionen eine Erstversorgung einzuleiten. Beispielsweise gehören hierzu die intramuskuläre Gabe von Adrenalin bei Anaphylaxie, die Gabe von inhalativen Betasympathomimetika bei Asthmaanfall, die Gabe eines Benzodiazepins bei anhaltendem Krampfanfall sowie eine einfache Analgesie, etwa durch inhalative Analgetika. Auch spezifische Trainingsmodule zur verbesserten Vorbereitung als Teampartner von Notfallsanitätern sind zielführend. Derartige Kompetenzanpassungen müssen aus Sicht des DBRD zuvor verbindlich festgelegt und konsentiert sein, da ohne Erweiterung des Verantwortungs- und Aufgabenbereichs der Rettungssanitäter eine schlichte Verlängerung der Ausbildung wie oben erwähnt nicht zielführend wäre und lediglich das bisherige System verteuert.

Durch Entlastung der üblichen Einsatzbereiche von Rettungssanitätern im Krankentransport und konsequente Zuordnung von Krankenfahrern in die zuständigen Versorgungssektoren entstehen so Möglichkeiten einer modularen Weiterentwicklung.

Eigenständigkeit der Notfallsanitäter

Der DBRD begrüßt ausdrücklich die Forderungen, Notfallsanitäter eigenverantwortlich einzusetzen und damit dem gesetzlichen Auftrag entsprechend dem NotSanG gerecht zu werden. Durch die Aufnahme des § 2a in das NotSanG sind die rechtlichen Bedingungen zu eigenverantwortlicher heilkundlicher Tätigkeit geschaffen, die nun ein eigenverantwortliches heilkundliches Handeln rechtssicher ermöglichen. Dies entspricht bereits heute dem klaren Handlungsbereich von Notfallsanitätern und dem Willen des Gesetzgebers. Dieser eigenverantwortliche Handlungsbereich ist dabei explizit nicht als zukünftige Entwicklungsmöglichkeit zu verstehen, sondern als überfällige Umsetzung der bereits jetzt bestehenden Gesetzeslage. Leider muss der DBRD feststellen, dass hier derzeit erhebliche Behinderungen des eigenverantwortlichen Handelns bestehen.

Irritierend sind Einlassungen, die ausführen, „Notfallsanitäterinnen und -sanitätern eine höhere eigenständige Verantwortung zu übertragen“. Der eigenständige Bereich des Notfallsanitäters beschreibt den Bereich der Delegation und ist ebenfalls seit Anbeginn Bestandteil des NotSanG. Durch Schaffung des § 2a NotSanG und der damit rechtssicheren Eigenverantwortlichkeit ist der Delegation zumindest in Situationen mit Lebensgefahr oder wesentlichen Folgeschäden bei verzögerter Behandlung keine wesentliche Bedeutung mehr beizumessen. Der DBRD hofft, dass die Veröffentlichung des Positionspapiers der Bertelsmann Stiftung die Träger des Rettungsdienstes dazu bewegt, die Möglichkeiten aus dem NotSanG vollumfänglich umzusetzen. Aus Sicht des DBRD müssen Notfallsanitäter zur Umsetzung ihres eigenverantwortlichen Handlungsrahmens angehalten werden. Eigenverantwortliche Entscheidungen und Behandlungen von Notfallsanitätern dürfen dabei keinesfalls an (Tele-)Notärzte gebunden werden. 

Telemedizin

Telemedizin kann eine wichtige Ergänzung sein, um medizinisches Fachwissen schnell an abgelegene Orte zu bringen. Auch kann bei geeigneter Qualifizierung so eine Hilfestellung bei sehr komplexen Fragestellungen erfolgen. Hilfreich kann es sein, wenn die Telemedizin dem Rettungsfachpersonal niedrigschwellig zur Verfügung steht (z. B. telefonisch), um Rückfragen bei Bedarf des Rettungsfachpersonals zu beantworten. 

Telemedizin darf aber keinesfalls als Bedingung zur Anwendung von Notfallsanitäterkompetenzen gestellt werden. Gleichwohl sollte die Verfügbarkeit von Telemedizin Entscheidungsträger dazu bewegen, Dispositionskriterien für Notarzteinsatzfahrzeuge zu verändern, damit bei Bedarf des Rettungsfachpersonals vor Ort schnell Unterstützung hinzugeschaltet werden kann. Eine szenariogebundene, verpflichtende Anwendung lehnt der DBRD ab.

Besonders hervorzuheben ist aus Sicht des DBRD das Potenzial, das die Telemedizin im Bereich der Kassenärztlichen Notfallversorgung aufweist. Hier können Ärzte per (Video-)Telefonie deutlich mehr Patienten beraten und fallabschließend versorgen, als es durch aufsuchenden KV-Notdienst möglich wäre. Telemedizin hat hier das Potenzial, den aufsuchenden KV-Notdienst und die Notfallpraxen signifikant zu entlasten. Der DBRD erhofft sich dadurch auch eine Entlastung des Rettungsdienstes von nicht dringlichen Einsätzen.

Ärztliche Leitungen Rettungsdienst

Richtig ist, dass die Funktion der Ärztlichen Leitung Rettungsdienst nicht an eine oder zwei Personen gebunden sein darf. Der DBRD spricht sich klar für eine Überarbeitung der Funktion der Ärztlichen Leitung Rettungsdienst aus. Als konstruktiver Ausweg ist die Schaffung von Gremien aus Notfallsanitätern, Schulen und auch kompetenten, fachberatenden Ärzten als Team „Medizinische Versorgung“ sinnvoll. Dort können Rahmenempfehlungen zu Maßnahmen nach § 2a und § 4 (2) Nr. 1c NotSanG erstellt werden. Diese können dem eigenverantwortlich handelnden Notfallsanitäter durch Behandlungshinweise konkret weiterhelfen. Alle Empfehlungen müssen sich dabei am aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie als Mindestvorgabe am Pyramidenprozess orientieren. Der Notfallpatient mit seinem Versorgungsbedarf ist dabei in den Mittelpunkt zu stellen. Ein Qualitätsmanagement sollte sowohl die Versorgung durch Notfallsanitäter als auch durch Notärzte begleiten und die Systemverbesserung zum Ziel haben. Das Team „Medizinische Versorgung“ sollte, wie im Expertenpapier gefordert, „auch organisatorisch gesamtverantwortlich für den Rettungsdienst, das darin tätige Personal sowie für alle die Patientinnen und Patienten betreffenden Belange zuständig sein“.

Lübeck, 20.10.2024

Für den Vorstand, Beirat und Ärztlichen Beirat

Frank Flake
1. Vorsitzender

 

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