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Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung und den damit verbundenen Neuregelungen für den Rettungsdienst im SGB V

Der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst e. V. (DBRD) begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, die Notfallversorgung im Gesundheitssystem mit dem „Gesetz zur Reform der Notfallversorgung“ zu reformieren. Die Einschätzung, dass viele Hilfeersuchen der Bürger von den falschen Systemkomponenten beantwortet werden, teilt der DBRD. Insbesondere die Mehrbelastung des Rettungsdienstes führt dazu, dass immer mehr Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeuge eingesetzt werden müssen, ohne dass die Anzahl an tatsächlichen schweren Notfällen signifikant zugenommen hat. Dies führt zu einer erheblichen Mehrbelastung der Rettungsdienste und zugleich zu einem möglichen Verlust an Versorgungsqualität aufgrund abnehmender Erfahrung der einzelnen Rettungsteams. Diese Fehlentwicklung kann durch eine bessere Verzahnung von ambulantem Sektor, Rettungsdienst und stationärem Sektor korrigiert werden. Insbesondere kann die Telemedizin im ambulanten Sektor dazu beitragen, eine Vielzahl an Hilfeersuchen fallabschließend zu versorgen und so Rettungsdienst und Krankenhaus zu entlasten.

Die Übergabe von Patienten des Rettungsdienstes an die verschiedenen Ebenen der Integrierten Notfallzentren (INZ) muss ebenso möglich sein wie weiterhin die eigenverantwortliche Entscheidung des Rettungsdienstes über den Zielort entsprechend § 4 Abs. 2 Nr. 1f NotSanG. Für die Schnittstelle des Rettungsdienstes zu INZ/Notfallaufnahmen müssen zeitliche Gesetzesvorgaben zur Gestaltung der Übergabe geschaffen werden, um den Rettungsdienst von den erheblichen Bindezeiten durch das Warten vor Notfallaufnahmen zu entlasten. Diese können unserer Ansicht nach risikoadjustiert entsprechend der Dringlichkeit des Notfalls gestaffelt sein, dürfen aber 30 Minuten in keinem Fall übersteigen.

Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Notdienste muss deutlicher formuliert werden. Die Angebote der Telemedizin und der Notfallnummer 116 117 müssen 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche verlässlich und zeitnah verfügbar sein. So ist die Regelung im Änderungsentwurf des § 75 Abs. 1c SGB V begrüßenswert, in dem Zeitfenster zur Beantwortung eines telefonischen Hilfeersuchens an die 116 117 getroffen werden. Lange Warteschleifen führen zu einer schwer zu erfassenden, aber sicher erheblichen Abkehr von diesem Angebot. Die verpflichtenden Beantwortungszeiten müssen aus unserer Sicht noch kürzer gefasst werden, um die Inanspruchnahme zu befördern.

Der aufsuchende Dienst der Kassenärztlichen Vereinigungen muss für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder mangelhaften Möglichkeiten anderer Versorgung in jedem Fall verfügbar bleiben. Auch ist es bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Leistungserbringung aus unserer Sicht erforderlich, Festlegungen zum Erfüllungsanspruch zu treffen, um so zu geeigneten Planungen zu kommen. Daher unterbreiten wir hier einen Formulierungsvorschlag zur Neufassung des § 75 Absatz 1b SGB V:

„Der aufsuchende Dienst nach § 5 Nr.3 ist planerisch so auszulegen, dass mindestens 85% der vom aufsuchenden Dienst zu beantwortenden Hilfeersuchen in einer Region innerhalb von 60 Minuten Fahrzeit beantwortet werden können.Duplizitäten sind dabei planerisch zu berücksichtigen.“

Der momentane Gesetzesentwurf sieht hier vor, dass in Einzelfällen auch Notfallsanitäter oder Pflegefachkräfte eingesetzt werden können. Diese müssen regelhaft eigenverantwortlich tätig werden, um eine reelle Systementlastung durch fallabschließende Bearbeitung zu erreichen. (Tele-)Delegationen sollten speziellen Fragestellungen vorbehalten sein. Dies erfordert auch eine Änderung und Erweiterung der heilkundlichen Kompetenzen des eingesetzten Personals. Der momentane Gesetzentwurf sieht den Einsatz von Personal nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB V vor. Dabei handelt es sich in der Anforderung nicht um Heilberufe, sondern beispielsweise auch um medizinische Fachangestellte. Die näheren Regelungen sollen durch die Vertragspartner vor Ort für die Personalanforderungen der Ersteinschätzungseinrichtung getroffen werden. Die Ersteinschätzung erfordert aus unserer Sicht die Einschätzung des Gesundheitszustands und der Versorgungsdringlichkeit und beinhaltet damit wesentliche Lenkungselemente. Wenn bereits dieser Berufsgruppe eine erhebliche Entscheidungsbefugnis in INZ zugesprochen wird, so muss folgerichtig auch durch Änderung des NotSanG den Notfallsanitätern eine Heilkundebefugnis für Nichtnotfälle zur fallabschließenden Beurteilung ermöglicht werden. Notfallsanitäter werden aktuell und auch in Zukunft erwartbar mit Hilfeersuchen niederer Dringlichkeit konfrontiert. In diesen Fällen ist eine Bearbeitung unter Nutzung von heilkundlichen Anteilen allerdings durch das NotSanG und die Vorgaben aus dem HeilprG eingeschränkt. 

Aktuell hat der Rettungsdienst als Alleinstellungsmerkmale eine exzellente Erreichbarkeit sowie eine zuverlässige Sicherstellung der Rettungsmittelentsendung und Beantwortung von Hilfeersuchen. Diese Zuverlässigkeit muss auch in den anderen Versorgungssektoren erreicht werden. Die Entscheidung über die Übernahme der Versorgung durch den aufsuchenden Dienst muss allein bei den zu errichtenden Akutleitstellen verankert werden und für den aufsuchenden Dienst bindend sein.

Ebenso muss unbedingt verhindert werden, dass die unterschiedlichen Versorgungssektoren ermutigt werden, sich gegenseitig das ohnehin knappe Personal abzuwerben. Dies kann zu erheblichen Verschiebungen und gegebenenfalls auch zu Verschlechterungen des Sicherstellungsauftrags führen. Vorübergehend können Systeme wie beispielsweise Gemeindenotfallsanitäter bis zur stabilen Etablierung anderer Versorgungsstrukturen hilfreich sein, um Versorgungslücken zu schließen. Die Erfüllung solcher Aufgaben ist allerdings nicht im originären Aufgabengebiet des Rettungsdienstes zu sehen.

Wie im Vorfeld angekündigt, stehen in der aktuellen Fassung des Notfallreformgesetzes keine Änderungen für den Rettungsdienst. Diese sind im weiteren Verfahren über Änderungsanträge durch die Regierungskoalition eingebracht worden. Der DBRD hält eine Reform des Rettungsdienstes für dringend geboten. Gerne möchte der DBRD allen beteiligten Parteien in dieser Stellungnahme Hinweise zu sinnvollen Ergänzungen geben.

Aufnahme des Rettungsdienstes im § 30 SGB V als eigener Leistungsbereich des SGB V

Der vorgelegte Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zum Gesetzentwurf (Ausschussdrucksache des Ausschuss für Gesundheit 20(14)231.1 vom 01.141.2024) stellt Regelungen zur konkreteren Verankerung der notfallmedizinischen Leistungen des Rettungsdienstes im SGB V auf. 

Die Aufnahme des Rettungsdienstes als eigener Leistungsbereich des SGB V ermöglicht es, dezidiert einzelne Teilleistungen der rettungsdienstlichen Versorgung zu erheben und zu vergleichen sowie das Einhalten von Versorgungsstandards sicherzustellen. So können neben dem Transport von Notfallpatienten – bei Erfüllung der Maßstäbe – weitere Aspekte vergütet werden. Wir begrüßen ausdrücklich die Formulierungen nach § 30 Absatz 4, dass etwaige Standards nicht den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ als Grundlage haben, sondern den anerkannten Stand der Wissenschaft umsetzen müssen, der häufig durch nationale oder internationale Leitlinien definiert ist. Der eigenverantwortliche Handlungsrahmen von Notfallsanitätern muss hier unstreitig eingefordert werden und zur Wirkung kommen. Es ist aktuell davon auszugehen, dass das quantitativ größte Versorgungs- und Qualitätsdefizit eher im Verhindern und Unterlassen medizinisch gebotener Versorgungsmaßnahmen liegt als in fehlerhafter Anwendung. Der DBRD spricht sich in diesem Zusammenhang auch außerhalb von Lebensgefahr oder vermuteten Folgeschäden für die Schaffung geeigneter rechtlicher Rahmenbedingungen für Notfallsanitäter aus, um heilkundlich tätig werden zu dürfen. Dies ist aus unserer Sicht erforderlich, da davon auszugehen ist, dass auch trotz verbesserter Lenkung und Sektorenzuordnung der Rettungsdienst in Einsatzsituationen tätig wird, die weder Lebensgefahr noch wesentliche Folgeschäden hervorrufen. Es ist vor dem Hintergrund der Schonung von Ressourcen erforderlich, dass derartige Einsatzsituationen fallabschließend auch durch Notfallsanitäter bearbeitet werden können. Entsprechende gesetzliche Anpassungen im NotSanG sind zu bedenken.

Den in § 30 Absatz 5 gemachten Ausführungen stimmen wir zu. Allerdings ist es aus unserer Sicht sinnvoll, dass die medizinische Erfordernis eines Transportes noch klarer in den Fokus gerückt wird. Daher empfehlen wir eine geänderte Formulierung des § 30 Absatz 5 SGB V, die herausstellt, dass die medizinische Erfordernisprüfung vor Ort ausschlaggebend ist. Auch ist es aus unserer Sicht zwingend erforderlich, zu Formulieren, dass Notfallsanitäter eine Beförderung in Fällen fehlender medizinischer Indikation ablehnen dürfen, nachdem zuvor entsprechend § 4 Absatz 2 Nummer 1 b NotSanG die Einschätzungen zu Patientenzustand und Maßnahmenerfordernis eigenverantwortlich getroffen wurden.

Die Regelungen zur Neustrukturierung des § 60 sind aus unserer Sicht in Hinblick auf die Krankenfahrten unzureichend. Vielerorts bestehen keine Angebote für Krankenfahrten mit liegender Beförderungsmöglichkeit. Dies führt zu einer Verlagerung von Krankenfahrten in den Krankentransport und zu erheblicher Mehrbelastung des Rettungsdienstes. Es ist aus unserer Sicht erforderlich, die Kostenträger auch zur Sicherstellung eines entsprechenden Angebotes zu verpflichten, wenn keine Verträge nach § 60 unter Beachtung des § 71 Absatz 1 bis 3 zustande kommen. 

In der Neufassung des § 133 muss hinsichtlich der Finanzierung sichergestellt sein, dass in Streitfällen mit Kostenträgern, anders als im Krankenhausbereich, immer zunächst eine Vergütung erfolgen muss, um die Systemfinanzierung nicht durch fehlende Kostenübernahmen zu schwächen und zu gefährden. Auch ist es aus Sicht des DBRD zwingend erforderlich, dass aus der Frage der Finanzierung keine Schwächung der Vorhaltung und Ausstattung von Rettungsmitteln und Rettungswachen sowie der bisherigen Strukturen der rettungsdienstlichen Daseinsvorsorge resultiert. Die in § 133 Absatz 3 Nummer 1 ausgeführten Regelungen bezüglich einer nicht transparenten Entgeltbemessung lassen aus unserer Sicht zu viel Spielraum für Interpretation. Dies eröffnet die Möglichkeit der unbestimmten Erklärung eines Intransparenzzustandes und damit eine einseitge Festlegung von Festbeträgen. Wir sprechen uns dafür aus, wenn überhaupt derartige Entgeltänderungen erforderlich sind, die bisher genutzten und sehr etablierten Regelungen der Entgeltberechnungen beizubehalten. 

Die in § 133 Absatz 3 Nummer 3 der Neufassung genannten Regelungen lassen aus unserer Sicht durch die Verknüpfung mit den Berücksichtigungen des unter § 133c Absatz 1 Nummer 1 oder der Rechtsverordnung befürchten, dass Empfehlungen eines Qualitätsausschusses maßgeblich für die Finanzierung werden. Dabei fällt auf, dass die Träger und Leistungserbringer nicht eingebunden werden. Relevanter sind aus unserer Sicht die bereits im Gesetztesentwurf geregelte Orientierung an dem Stand der Wissenschaft. 

Im Änderungsvorschlag der Bundesregierung vom 01.11.2024 wird mit dem Qualitätsausschuss Notfallrettung ein Gremium etabliert, dass stimmberechtigt ausschließlich aus Kostenträgern und Bundesländern besteht. Eine solche Struktur ist grundsätzlich begrüßenswert, allerdings ist es aus zwingend erforderlich, dass neben Kostenträgervertretern und Landesvertretern auch die Träger der Rettungsdienste, beispielsweise durch Einbindung kommunaler Spitzenverbände, Vertreter relevanter Leistungserbringer sowie maßgebliche Spitzenorganisationen wie der DBRD als Vertretung des Rettungsfachpersonals auf Bundesebene gleichberechtigt vertreten und stimmberechtigt sind. Insbesondere eine Vertretung des Rettungsfachpersonals und der Leistungserbringer ist hier dringend erforderlich, um in Empfehlungen die Erfahrungen aus der konkreten Umsetzung vor Ort und den damit verbundenen Herausforderungen abbilden zu können.

Die im § 133c Absatz 2 Nummer 1 des vorgelegten Änderungsentwurfes dargelegten Regelungen bezüglich der Empfehlungen einer fachgerechten Patientenversorgung dürfen aus unserer Sicht die bereits erarbeiteten Standards im Pyramidenprozess 3.0 durch den DBRD und den Bundesverband der Ärztlichen Leitungen Rettungsdienst Deutschland e. V. (BV ÄLRD) dabei keinesfalls unterschreiten. Der Pyramidenprozess wurde bereits sehr breit mit allen am Rettungsdienst Beteiligten konsentiert.

Ebenso sehen wir eine Neuausrichtung der Aufgaben der Ärztlichen Leitungen als unabdingbar an, da hier vielerorts Strukturen geschaffen wurden, die die Entscheidungshoheit für eine ganze Versorgungsregion auf eine einzelne ärztliche Person konzentriet. Wie bereits im kürzlich vorgelegten Papier der Bertelsmann-Stiftung 

„Neujustierung der Kompetenzen und der Zusammenarbeit der rettungsdienstlichen Berufe“ richtigerweise festgestellt wurde,darf die Funktion der Medizinischen Leitung Rettungsdienst nicht an einer, oder zwei ärztlichen Personen aufgehängt sein. Wir sprechen uns erneut klar für eine Überarbeitung der Funktion der Ärztlichen Leitung Rettungsdienst aus. Als konstruktiver Ausweg ist die Schaffung von Gremien aus Notfallsanitätern, Leistungserbringern, Schulen und auch kompetenten, fachberatenden Ärzten als Team „Medizinische Versorgung“ sinnvoll. Dort können Rahmenempfehlungen zu Maßnahmen nach § 2a und § 4 (1) Nr. 1c NotSanG erstellt werden. Diese können dem eigenverantwortlich handelnden Notfallsanitäter durch Behandlungshinweise konkret weiterhelfen. Alle Empfehlungen müssen sich dabei am aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie mindestens am Pyramidenprozess orientieren. Der Notfallpatient mit seinem Versorgungsbedarf ist dabei in den Mittelpunkt zu stellen. Ein Qualitätsmanagement sollte sowohl die Versorgung durch Notfallsanitäter als auch durch Notärzte begleiten und die Systemverbesserung zum Ziel haben. Das Team Medizinische Versorgung sollte, wie im Expertenpapier gefordert, “auch organisatorisch gesamtverantwortlich für den Rettungsdienst, das darin tätige Personal sowie für alle die Patientinnen und Patienten betreffenden Belange zuständig sein”.

Die Schaffung Ärztlicher Leitungen von Leitstellen halten wir für nicht zielführend und lehnen dies ab. Dies führt aus unserer Sicht zur Gefahr einer weiterhin sehr arztzentrierten Dispositionsplanung und nicht zur Reduktion unnötiger Notfall- und auch Notarzteinsätze. Diese Aufgaben sollte ebenfalls an ein Gremium „Team Medizinische Versorgung“ gebunden sein.

Um diesem Gremium sowie der Wissenschaft und Entscheidungsträgern verlässliche Daten zur Versorgung der Bürger im Bundesgebiet zu verschaffen, bedarf es einer bundesweit einheitlichen Datenbank, in der ähnlich dem MIND-Datensatz Informationen aus allen Rettungsdiensten gesammelt werden. Dafür sind eine vollständige Digitalisierung der Dokumentation sowie die Sicherstellung von Schnittstellen (unabhängig vom jeweiligen Dokumentationsanbieter) zu einem zukünftigen „Bundesrettungsdienstregister“ notwendig. Hier ist allerdings darauf zu achten, dass dies keinesfalls zu erhöhtem bürokratischen Aufwand führt, sondern verpflichtende Schnittstellen diese Datenübertragung automatisiert ermöglichen. Es ist ebenfalls dringend notwendig, dass Notfallsanitäter im Einsatz Zugriff auf die elektronische Patientenakte haben sowie eine Speicherung der im Rahmen der Notfallversorgung erhobenen Behandlungsdaten (Dokumentation, EKG, Sonografie etc.) möglich ist.

Die Leitstellen der Notrufnummern 112 und 116 117 müssen ermächtigt werden, Taxifahrten sowie Kranken- und Liegendtransporte zu verordnen, um bei entsprechendem Ergebnis in der standardisierten Abfrage (oder telemedizinischen Konsultation) ein geeignetes Fahrzeug zu entsenden. Die Sorge, dass in Zukunft vermehrt Taxis verwendet werden, teilt der DBRD nicht. Aktuell erfüllen häufig Rettungswagen diese Funktion und sind um ein Vielfaches teurer als Taxis. Die Kostenträger als Verantwortliche für den nicht rettungsdienstlichen Transport müssen gesetzlich zur konsequenten Wahrnehmung ihrer Aufgabe verpflichtet werden. Auch Gemeindenotfallsanitäter sowie Pflegefachkräfte, die im aufsuchenden Dienst tätig sind, müssen befugt sein, verschiedene Transportmöglichkeiten anzufordern und zu verordnen. Der Krankentransport muss rund um die Uhr sichergestellt sein, dabei sollte nur in Ausnahmefällen auf Rettungswagen zurückgegriffen werden dürfen. Die bisherige Krankentransportrichtlinie fordert einen vorherigen physischen Arztkontakt. Dies wird zukünftig immer seltener möglich sein. Durch konsequente Umsetzung standardisierter und strukturierter Abfragen auch bei Anforderungen von Krankentransporten können fehlerhafte Inanspruchnahmen vermieden werden. 

Notfallmedizinische Versorgung auch ohne Durchführung von anschließenden Transporten und gegebenenfalls Überführung in andere Versorgungsstrukturen ist zukünftig ein wichtiger Baustein. Die Entscheidungskompetenzen sind bereits jetzt ein eigenverantwortlicher Handlungsrahmen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1b NotSanG, da Notfallsanitäter neben der eigenverantwortlichen Einschätzung des Patienten auch über die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen zu entscheiden haben. Dies inkludiert selbstverständlich auch Transportentscheidungen. 

Zukünftige Planungen, Notfalltransporte nicht nur in Krankenhäuser, sondern auch in andere Versorgungseinrichtungen zu ermöglichen, ist wichtig und überfällig. Dabei muss darauf geachtet werden, dass nur medizinisch indizierte Transporte durchgeführt werden. Die Telenotfallmedizin hat aus Sicht des DBRD eine nur nachgeordnete Relevanz. Die Kompetenzen der Notfallsanitäter sind durch § 2a und § 4 NotSanG sowie durch die Mindestkonsentierungen aus dem Pyramidenprozess definiert. Ziel muss es sein, dass Rückfragen (also die Inanspruchnahme der Telenotfallmedizin) nur in Ausnahmefällen notwendig werden. Aktuell wird neben der massiven Erhöhung der Anzahl an Telenotfallmedizinern erstaunlicherweise weiterhin auch die der Notarzteinsatzfahrzeuge und der Notarzteinsätze erhöht. Dies ist die gegenteilige Entwicklung dessen, was sich der Bundesgesetzgeber im Jahr 2014 durch das Inkrafttreten des NotSanG erhofft hatte. Im Gegensatz dazu steht die Telemedizin im ambulanten Sektor. Hier ist eine bedeutende Ressourcenschonung zu erwarten.

Die Leistungen, die bisher im SGB V definiert werden, heißen aktuell „ärztliche Behandlung“, auch wenn andere Berufe diese durchführen. Rettungsdienstliche Leistungen, die zukünftig im SGB V durch den Rettungsdienst erbracht werden, erfolgen überwiegend ohne Arzt (aktuell erfolgen etwa 80 % der Rettungsdiensteinsätze ohne Notarzt, zukünftig werden noch weniger Ärzte eingesetzt). Es ist deshalb zwingend erforderlich, dass diese Leistungen durch Notfallsanitäter im neu geschaffenen Leistungsbereich des SGB V auch ohne Bezug zum Arzt abrechnungsfähig sind.

Bereits seit langem besteht hinsichtlich der Herausforderungen im Gesundheitswesen kein Erkenntnisproblem. Vielmehr wird nicht geschafft, diese Erkenntnisse auch umzusetzen. Die Empfehlungen der Regierungskommission sowie Stellungnahmen verschiedener Spitzenverbände wie dem DBRD oder dem Bündnis Pro Rettungsdienst bestätigen dies. Der DBRD hofft, dass nun die Weichen für einen Rettungsdienst gestellt werden, der besser auf die Herausforderungen von heute und morgen reagieren kann. Dies erfordert neben Mut zur Veränderung auch die entschlossene Einforderung der Leistungserfüllung aller Versorgungssektoren.

Lübeck, 02.11.2024

Für den Vorstand, Beirat und Ärztlichen Beirat

Frank Flake
Vorsitzender

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