Stellungnahme des Deutschen Berufsverband Rettungsdienst e.V. zu den SAA und BPR 2025 – Standardarbeitsanweisungen und Behandlungspfade im Rettungsdienst
Der DBRD begrüßt die Veröffentlichung der aktualisierten SAA und BPR 2025. In dem umfangreichen Werk sind viele geeignete Darlegungen von Versorgungen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu finden. Die SAA und BPR sind daher eine geeignete Hilfestellung für Notfallsanitäter, um Versorgungshinweise im Rahmen der eigenverantwortlichen Tätigkeit in der Patientenversorgung zu finden. Zur richtigen Einordnung in den Kontext der Verantwortlichkeiten nimmt der DBRD mit einigen Hinweisen Stellung.
Der DBRD bedauert weiterhin, dass erneut keine Notfallsanitäter maßgeblich an der Erstellung der SAA und BPR mitwirken konnten. Wir als DBRD hatten unsere Bereitschaft zur Mitarbeit mehrfach signalisiert, allerdings ohne Reaktion. Wir halten es für essenziell, dass Notfallsanitäter bei allen Aspekten, die ihren originären Tätigkeitsbereich berühren, angemessen eingebunden werden. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich um Substitution ärztlicher Leistungen handelt und damit der Regelungsbereich Ärztlicher Leiter nicht mehr berührt wird. Durch angeregte Diskussionen und Einbringen anderer Blickwinkel können solche Empfehlungen noch weiter verbessert werden.
Wir begrüßen ausdrücklich den Mut zur Übertragung von Empfehlungen von Fachgesellschaften in das präklinische Versorgungsfeld und die Bereitschaft zur lösungsorientierten Anpassung von Leitlinieninhalten an die besonderen Bedingungen der Notfallmedizin.
Zuständigkeiten und Regelungskompetenzen
Alle Krankheitsbilder und Situationsbeschreibungen erfordern eine erhebliche vorangegangene Beurteilung durch die eingesetzten Notfallsanitäter. Dadurch haben die Notfallsanitäter einen wesentlichen und auch notwendigen Beurteilungsspielraum, der nach der vorherrschenden Meinung eine Delegation oder auch Vorabdelegation ausschließt. Notfallsanitäter werden daher im Rahmen der Substitution vollständig eigenverantwortlich und notarztersetzend tätig. Somit tragen sie die volle Verantwortung. Die Regelungen fallen daher nicht mehr in den Regelungsbereich Ärztlicher Leitungen. [1]
Wenn Notfallsanitäter beurteilen, liegt keine Delegation mehr vor!
In den Ausführungen des Vorwortes kann aus Sicht des DBRD der Eindruck entstehen, dass der § 2a NotSanG nur Wirksamkeit habe, wenn keine Delegation vorliege. Insbesondere die Behauptung, dass die SAA und BPR einen delegationsfähigen Standard definieren würden, ist grundsätzlich irreführend. Unter anderem hat sich der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages zu der Thematik umfangreich geäußert und bereits 2019 festgestellt, dass Delegationen in der Notfallmedizin erheblichen Herausforderungen unterliegen. Insbesondere wird dort ausgeführt: „Von einer „Delegation“ nach allgemeinem juristischem Verständnis ist aber nur dann auszugehen, wenn durch die SOP weitgehend alle Behandlungsoptionen abgedeckt werden und wenn sie so präzise formuliert werden, dass sie möglichst keinen Bewertungsspielraum für die Notfallsanitäterin oder den Notfallsanitäter mehr enthalten. Dort, wo standardisierte Handlungsanweisungen Spielräume offen lassen, liegt zumindest auch eine Behandlungsentscheidung der Notfallsanitäterin bzw. des Notfallsanitäters selbst vor, die nach dem juristischen Verständnis von Delegation ausgeschlossen wäre.“ [1,2]
Ebenfalls hat sich der Bundesrat entsprechend positioniert und ausgeführt: „§ 4 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe c NotSanG [hier gemeint § 4 Abs. 2 Nr. 2 lit.c NotSanG, da es keine Nr. in § 4 Abs. 1 notSanG gibt] betrifft gerade keine lebensrettenden Maßnahmen. Heilkundliche Maßnahmen, für die entlang eines definierten Algorithmus standardmäßig eine Delegation vorab ausgesprochen wird, die also weiterhin heilkundlich vom Arzt selbst zu verantworten sind, sind in der Regel „einfache Maßnahmen“, die in keiner Weise mit Notstandsmaßnahmen zu vergleichen sind und auch keinerlei fließenden Übergang zu diesen haben.“ [3]
Somit wird deutlich, dass die Bundesländer hier richtigerweise die Delegation bei den in diesem Werk der SAA und BPR beschriebenen Notfallsituationen und Krankheitsbildern gerade als nicht möglich ansehen. Daher handeln Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter eigenverantwortlich im Sinne der Substitution nach § 2a NotSanG. Delegationsfähige Regelungen finden sich auch nach unserer Bewertung in den gesamten SAA und BPR nicht.
Bedingt die Wortwahl in SAA oder BPR bereits eine Beurteilungserfordernis, sei es durch Verwendung von beurteilungserfordernden Adjektiven wie beispielsweise schwer, lebensgefährlich, bedrohlich, angestrengt, insuffizient, zwingend, führend, kardial bedingt oder werden beispielsweise beurteilungserfordernde Begriffe wie beispielsweise Suche, Ateminsuffizienz, Partial- oder Globalinsuffizienz, Bedrohlichkeit verwendet, kommt der eigenverantwortliche Spielraum der Notfallsanitäter im Rahmen der Substitution zum Tragen. Folglich sind die SAA und BPR Rahmenempfehlungen, die aber keinesfalls bindend sind.
Einordnungsbedürftig sind auch die Hinweise der Verfasser zu § 4 Abs. 2. Nr. 1 lit. c NotSanG. Hierbei handelt es sich um die eigenverantwortlichen Tätigkeiten der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Dabei ist zu beachten, dass diese eigenverantwortlichen Tätigkeiten unter der als Grundvorschrift geltenden Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. B NotSanG erfolgen. So haben Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter die Entscheidungsprärogative und entscheiden somit über die Indikationen, das „ob“ und auch die Durchführung, das „wie“. Damit ist Delegation ausgeschlossen.
Zum Regelungsbereich bei Maßnahmen „im Rahmen der Mitwirkung“ entsprechend § 4 Abs. 2 Nr. 2 lit. C NotSanG sind in den SAA und BPR keine Regelungen zu finden. Diese beträfen ohnehin, wie obenstehend dargelegt lediglich „einfache Maßnahmen“.
Einige Empfehlungen weichen von Leitlinien und Fachinformationen erheblich ab. Gerne stehen wir hier für Diskussionen zur Verfügung. Insbesondere Analgesie und Blutdrucksenkung bieten aus unserer Sicht noch Potential für erhebliche Verbesserungen.
In den Vorbemerkungen werden irreführende Ausführungen zur Transportregelung gemacht. § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. b NotSanG gilt als Grundvorschrift und regelt die Beurteilung und die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen. NotSan dürfen somit sehr wohl über derartige Transportindikationen entscheiden. Wünsche des Patienten sind nicht mit einem Transportanspruch verknüpft. Dies widerspricht dem § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V entschieden. Dort heißt es: "Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen." Die aktuellen Darlegungen der SAA und BPR in diesem Kontext sind geeignet, eine Aufforderung zum Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot darzustellen und sind daher nicht statthaft.
Insgesamt sehen wir die SAA und BPR als geeigneten roten Faden zur Orientierung in der eigenverantwortlichen Patientenversorgung im Rahmen der Substitution. Notfallsanitäter können dabei im Rahmen der ohnehin getroffenen eigenverantwortlichen Beurteilungen abweichen und situationsangepasst bedarfsgerecht versorgen.
Der DBRD steht für einen konstruktiven Austausch und die Weiterentwicklung zur Verfügung.
Literatur:
- WD 9 - 3000 - 032/19
- Achterfeld, Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen, S.3-4
- BR-Drs. 562/20
- Weitere Literatur auf Anfrage
Lübeck, 11.08.2025
Für den Vorstand, Beirat und Ärztlichen Beirat
Frank Flake
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